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Straße:
Franziusstraße 1 & 1a
Rickmersstraße
Listentext:
Franziusstraße 1-1A, Zollamt Rotersand, 1935-1936 (2009)°
Rickmersstraße
Kurzbeschreibung:
Die Errichtung des Zollamts "Rotersand" als ein eigenständiges, durchaus repräsentatives Gebäude am Eingang zum Zollbezirk der Kaiserhäfen stand 1935-1936 im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele in Berlin. Da man in diesem Zeitraum eine große Menge ausländischer Gäste in Deutschland erwartete, wurde Bremerhaven, das zuvor für Millionen Menschen die letzte Station vor der Auswanderung gewesen war, nun auch das "Tor zur Welt" für ankommende Besucher. Die große, durchaus repräsentative Schalterhalle im Inneren des Gebäudes erhielt ein Wandgemälde mit einer Ansicht der Stadtsilhouette Bremens. Der moderne Einbau aus jüngerer Zeit ist mit viel Rücksicht auf den ursprünglichen Gesamteindruck vorgenommen worden.°
Die Architektur des Zollamts ist typisch für die in den neun Jahren Bautätigkeit während des Nationalsozialismus entstandenen Bauten. Damals herrschte Stilpluralität innerhalb eines hierarchisch gegliederten und genau begrenzten Systems. Für Repräsentationsbauten galt ein vereinfachter Klassizismus als angemessen, für Siedlungsbauten oder Schulen ein lokaler Heimatstil. Industrie- oder Zweckbauten durften, oder sollten sogar ein modernes, technoid-funktionalistisches Äußeres erhalten. Das Feindbild der Nationalsozialisten war nicht die moderne Baugestaltung an sich, sondern der Anspruch des Neuen Bauens, einen einheitlichen architektonischen Ausdruck der Epoche mit einem neuen Formen- und Materialkanon zu gestalten. Entsprechend finden sich am Zollamt Rotersand als einem Funktionsbau am Eingang des Hafengebiets auch eine Reihe von modernen Gestaltungsmerkmalen der Zwischenkriegszeit, wie etwa die halbrunde Ausbildung eines Erkers an der Ecke zur Rickmersstraße, dessen Dachüberstand noch über den benachbarten Eingang fortgeführt ist, oder die Zusammenfassung der Obergeschossfenster zur Franziusstraße durch eine streifige Ausmauerung des Verblendmauerwerks. Diese horizontalen Gliederungselemente sind abgleitet aus der Vorstellung, dass der zunehmende Straßenverkehr in seiner Dynamik auch durch eine horizontale Gliederung der Gebäudefassaden begünstigt werden könne. Das abschließende Walmdach setzt diesen modernen Elementen jedoch eine betont konservative Note entgegen. Sehr repräsentativ ist zudem der hafenseitige Eingang zur Schalterhalle ausgebildet. Hier befindet sich, direkt auf der Gebäudeecke platziert, die große Keramik eines Reichsadlers, dessen Eichenkranz zu Füßen ursprünglich ein Hakenkreuz in sich barg. Darunter ist das Jahr der Errichtung - 1936 - zu lesen. Der Adler blickt nach links wie auf den Parteiabzeichen der NSDAP, unterscheidet sich dadurch ebenso vom Reichsadler der Weimarer Zeit wie von dem der späteren Bundesrepublik und ist deshalb ein bedeutungsvolles Relikt einer überwundenen Zeit.
Quelle:
Lamot, Anneke: Bauten der 1920er und 1930er Jahre in Bremerhaven-Wesermünde. Masterarbeit im Masterstudiengang Denkmalpflege der Otto-Friedrich-Universität Bamberg 2012
Lit.-Kurztitel:
Aschenbeck, Nils und Dirk J. Peters: Zeit - Räume. Industriearchitektur zwischen Elbe und Weser 1840-1970, Bremerhaven 1997
Lit.-Kurztitel:
Schwartz, Uwe: Neue Unterschutzstellungen in Bremerhaven =°
Denkmalpflege in Bremen, Heft 7, Bremen 2010